Ein Modell mit einer Blechverkleidung? Eine Schnapsiddee? Geht nicht - gibt’s nicht!

Von der Planung im Jahr 2013 bis zum Erstflug im Juni 2021 
Vorgeschichte:
Durch eine Flugvorführung (1970) eines ehemaligen Schulkollegen meines Vaters wurde ich vom „Modellflugvirus“ angesteckt. Mein erstes Modell (1971) war ein Graupner Cirrus, gesteuert mit einer Graupner 12-Kanal-Anlage. Auf mich allein gestellt, waren am Anfang Flugzeiten von mehr als 5 Sekunden eine Ausnahme, dafür gabs Flügelbruch, Rumpfbruch usw. ..  die Zeiten für Reparaturen waren entsprechend länger. 
Mein Interesse am Bau von Baukastenmodellen ist sehr bald verflogen. Ich wollte selbst „Rippen schneiden“. Damals wurden in der Zeitschrift „Modell“ auch schon Baupläne unterschiedlicher Modelle im Modellbauplandienst angeboten.
Meine erste Pilatus Porter ist so entstanden und sie war nicht die letzte. 
Über ihr Aussehen gibt es sicher unterschiedliche Meinungen. Schön ist sie nicht aber einfach zu fliegen und zu bauen. Die Flugeigenschaften entsprachen auch dem Modelltyp. Motorisiert mit einem 91er Webra hat sie auch als Schleppmaschine gute Dienste geleistet. 2 weitere Porter folgten in etwas vergrößerter Version und stärker motorisiert.
Nach vielen selbst konstruiert und gebauten Modell-Segelflugzeugen sollte es wieder eine Schleppmaschine werden – eine Robin DR 400. Mit Verbrenner-Motor gibt es Sie schon zur Genüge, deshalb entschied ich mich zum Einbau einer Turbine von Jakadofsky Engines - TP24. 
Das Modell wurde aufgrund des nachträglich geänderten Maßstabs um 5 kg schwerer als erwartet. Die DR 400 mit Turbine war daher als Schleppflugzeug nicht geeignet. 
2013 wollte ich wieder einmal der Turbine ein Modell „umhängen“. 
Was lag näher, als wieder eine Pilatus Porter zu konstruieren und zu bauen.
Eine gut bemaßte 3-Seiten-Ansicht fand ich auf der Webseite von Pilatus Aircraft LTD und weitere Detailunterlagen bekam ich vom Betreiber einer PC6 Turbo Porter. Damit die Turbine auch in den Flieger passte, wählte ich den Maßstab passend zur Größe der Turbine (1:4,64): Spannweite 3,40 m, Rumpflänge 2,35 m, max. Abfluggewicht 19 kg. Die Planung dauerte ca. ½ Jahr. Mein Ziel war, ohne Bauplan nur mit Schablonen zu bauen. Das Modell ist zur Gänze in Holz-Spanten- und Rippenbauweise gehalten. Alle Teile sind CNC-gefräst und entsprechend paßgenau.Die Beplankung erfolgte mit 2 mm Balsabrettern. Eine „Baubeschreibung“ für das Grundgerüst der Porter möchte ich mir ersparen und nur auf die Herausforderung des Oberflächen-Finish eingehen. Nachdem das Original eine Leichtmetall-Konstruktion ist, sollte das Modell auch eine “Blechverkleidung“ erhalten. 
Eine Schnapsidee? Woher das Blech? Eventuell wird das Modell zu schwer? Wie soll das Blech am Balsaholz halten? Bedruckte oder unbedruckte Seite (Silber) als Oberfläche? Fragen über Fragen.
Eine Schnapsiddee? Geht nicht - gibt’s nicht! Das gilt bei mir auch im Modellflug.
Die Frage welches Blech und woher nehmen war nach längerem Suchen geklärt: Alublech aus Getränkedosen! Und: Innenseite der Getränkedosen nach außen, da muss ich nicht auf die Herkunft der Dose achten. Aber: die Bleche sind nicht alle gleich stark und damit nicht gleich schwer. Auf der Suche nach geeignetem Material kam eigentlich nur eine Getränkedose in Frage – das Getränk verleiht Flügel 😉! Diese (leeren) Dosen waren schnell und in Massen verfügbar - und das Gewicht passte auch. Danke noch einmal an meine fleißigen Dosensammler Klaus, Heinrich und Gerhard. Insgesamt habe ich für Beplankung und Versuchszwecke ca. 800!!! Dosen bearbeitet. Ich hab mich dann entschieden, die bedruckte Dosenseite außen zu verwenden. Damit war das Oberflächen-Finish vorgegeben.  Es entstand allerdings ein erheblicher Arbeits-Mehraufwand und viel mehr Dosen waren nötig. Die einzelnen Arbeitsschritte für die ca. 90 x 90 mm großen Blechblättchen, welche aus 1 Dose herausgeschnitten werden konnten, sind in der beiliegenden Foto-Dokumentation ersichtlich. (220 dieser Bleche waren für einen Flügel notwendig!) Wird das Modell zu schwer? – NEIN, das Gewicht der Blechbeplankung liegt bei 1,15 kg und ist für die Größe des Modells vertretbar. Die Beplankung wollte ich in einem Stück auf die Rippenfläche aufbringen. Für die Auswahl der Verklebung waren mehrere Klebeversuche notwendig. 
Arbeitsablauf für die Beplankungsschalen:
Aus XPS-Platten wurden mit der Styroporsäge Negativformen hergestellt. Die Blechplättchen wurden zuerst auf der Klebeseite angeschliffen, (Getränkedosen sind auf der Innenseite beschichtet) und die Oberseite mit Klebeband zu einer Platte entsprechend der Beplankungsgröße zusammengeheftet. Die so entstandene Blechplatte wurde vorsichtig umgedreht und die Stoßstellen an der Klebeseite vollflächig mit Klebebandstreifen verklebt. Ebenso wurden die Balsabrettchen mit Weißleim zu Platten verklebt und mit Porenfüller vorbehandelt. Die Beplankungselemente wurden in den XPS-Negativformen im Vakuumverfahren verklebt und anschließend als fertige Oberfläche am Rippenflügel aufgebracht. Auch diese Verklebung erfolgte im Vakuum-Sack, da dies einen gleichmäßigen Pressdruck ergibt. 
Auf diese Weise wurde auch die Beplankung für Rumpf, Höhen- und Seitenruder hergestellt. Für den gesamten Rumpfvorderteil wurde eine Positiv-Form aus XPS-Platten angefertigt. Die Zugangsdeckel und die Turbinenverkleidung wurden aus mehreren Lagen GFK-Matten und der Blechverkleidung über dieser Positiv-Form im Vakuumsack verklebt. Eine besondere Herausforderung war die Herstellung der Ruderflächen. Das Modell sollte wie das Original auch die Sicken in der Oberfläche bekommen. Dosenblech ist sehr spröde und zum Tiefziehen eigentlich nicht brauchbar. Für diese Arbeit habe ich das meiste Dosenblech in Pressversuchen verbraucht. Viele Versuche und eine Änderung der Pressformen haben dann doch zu einem ansprechenden Ergebnis geführt. Der Zuschnitt der Bleche erfordert mehrere Arbeitsschritte: Deckel-Boden abschneiden, Zylinder aufschneiden, glätten und die Bleche passgenau mit Lineal und Messer ausschneiden. Die Schmerzen im linken Ellenbogen wurden immer stärker und ich konnte das Lineal zum Schneiden der Bleche nicht mehr halten. Das Blechschneiden wurde zur Qual. Da war der erste Tiefpunkt erreicht und ich wollte das gesamte Projekt schon aufgeben. Rumpf, Seiten- und Höhenleitwerkflossen waren zu diesem Zeitpunkt bereits fertig.Die Tragflächenbeplankung und die Ruderflächen fehlten noch. 
Es folgten 3 Jahre Pause….der Flieger stand halbfertig in der Werkstätte. Wie vorher schon gesagt: Geht nicht – gibts nicht! Also: weiterbauen. Natürlich war der „Rote Faden“ weg. Es folgte eine Bestandsaufnahme und nach kurzer Zeit auch wieder der Blechzuschnitt. Dieses Mal nicht mehr mit Lineal und Messer, sondern mit einem Papierschneider. Ab diesen Zeitpunkt war das Bauen wieder eine Freude und ging auch zügig voran. Versuche mit mehreren Propellertypen für die Turbine brachten kein passendes Ergebnis, daher habe ich die Turbine wieder ausgebaut und durch einen E-Antrieb ersetzt. 
Fazit: Das Modellgewicht mit 12 Lipo Zellen und E-Antrieb beträgt 19,2 kg. Die Antriebseinheit der Turbine entspricht gewichtsmässig der des E-Antriebes. Vollgetankt mit 3 Liter Kerosin liegt das Abfluggewicht bei 19,8 kg. 
Als Fernsteuerung verwende ich eine Graupner MZ 24 PRO Hott. E-Antrieb: Brushless Aussenläufer, Regler: Phoenix EDGE HV 160 , Propeller: 24x10“
Der Erstflug mit E-Antrieb fand im Juni 2021 statt, das Modell flog auf Anhieb ausgezeichnet und bis dato unfallfrei.
Mein „Kurz“-Steckbrief: 
Wilfried Zimmermann, geb. 1951
1970 Einstieg in den Modellbau
1974 Segelflug-Ausbildung am Flugplatz Trieben
seit 1975 Aeroclub Mitglied der Sektionen Modellflug und Segelflug
seit 1988 Segelfluglehrer
seit 2008 Punkterichter der Klassen RC-SL und RC-MS
seit  2019 Träger des Ehrenzeichens in Gold (Sportluftfahrt) des Österreichischen AEROCLUB`s

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